Präsident Trumps Wunsch, Grönland mit allen Mitteln zu einem Teil der USA zu machen, hat sehr viele Menschen schockiert und erheblich diplomatisches Porzellan zerschlagen.

Dänemark, das Grönland als autonome Region verwaltet, hat Trumps Vorstoß entschieden zurückgewiesen. Die dänische Premierministerin Mette Frederiksen nannte die Idee „absurd“, was zu einem weiteren diplomatischen Eklat führte – Trump sagte kurzerhand einen geplanten Staatsbesuch ab.

Aber was steckt genau dahinter, und welche Taktik beeinflusst die Diplomatie?

Grönland ist interessant

Grönland ist weit mehr als nur eine eisbedeckte Insel im Nordatlantik. Es ist reich an unerschlossenen Bodenschätzen, darunter seltene Erden, Uran, Erdöl und Erdgas – Ressourcen, die für High-Tech-Industrien und die Energieversorgung der Zukunft von unschätzbarem Wert sind. China hat das Potenzial längst erkannt und versucht, seinen Einfluss auf Grönland über wirtschaftliche Investitionen auszuweiten; bis Dänemark 2021 einen Deal für einen chinesischen Flughafen blockierte.

Dies sorgt in Washington für große Besorgnis, da Peking bereits in Afrika und Lateinamerika massiv Rohstoffquellen sichert.

Doch nicht nur wirtschaftliche Interessen stehen im Fokus. Grönland spielt eine zentrale Rolle in der militärischen Strategie der USA. Die Insel beherbergt die Pituffik Space Base, ehemals Thule Air Base, eine der nördlichsten und wichtigsten Radarstationen des nordamerikanischen Frühwarnsystems. Bereits während des Kalten Krieges war die Kontrolle über den Nordatlantik von entscheidender Bedeutung, um mögliche Angriffe aus der Sowjetunion frühzeitig zu erkennen. Heute, mit dem Erstarken Chinas, gewinnt dieser Aspekt erneut an Brisanz.

Dank des Klimawandels schmilzt das Polareis, wodurch Grönlands strategische Bedeutung weiter zunimmt. Die Nordwestpassage – eine der potenziell wichtigsten zukünftigen Schifffahrtsrouten – wird immer zugänglicher und könnte sich als Alternative zum Suez- oder Panamakanal etablieren. So ist die extrem wichtige Seeroute von Europa nach Ostasien durch die Arktis 40 % kürzer als via Suezkanal.

Wer Grönland kontrolliert, hat erheblichen Einfluss auf den globalen Handel, denn durch die Verkürzung von Transportwegen lassen sich Milliarden einsparen.

Hier kommt auch Trumps Fokus auf Panama ins Spiel: Bereits früher hat er Interesse an einer stärkeren Kontrolle über den Panamakanal signalisiert. Die strategische Überlegung dahinter ist klar: Wer die wichtigsten globalen Handelsrouten kontrolliert, hat nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch erheblichen politischen Einfluss.

Bizarres Verhalten

Dennoch gibt es keinen Grund, warum Grönland an die USA gehen sollte. Die bestehende militärische Präsenz könnte ohne Probleme ausgebaut werden, und als kapitalistische Marktwirtschaft würde sich Dänemark Bergbauprojekten von amerikanischen Firmen nicht verschließen. Weshalb die USA auch bis jetzt nicht versuchten, Grönland zu übernehmen.

Was will Trump also plötzlich? Es zeichnen sich zwei Möglichkeiten ab:

 Ablenkung:

Trump ist bekannt für seinen unkonventionellen Verhandlungsstil, der oft auf maximaler Eskalation basiert, um Gegner und Partner gleichermaßen zu verunsichern. Die Idee, Grönland zu kaufen, könnte in diesem Licht gesehen werden: Zunächst schockiert er mit einer scheinbar überzogenen Forderung, um später mit einem „Kompromiss“ andere strategische Vorteile auszuhandeln. Es ist denkbar, die Grönlandfrage als Ablenkung zu verwenden und in Wirklichkeit andere Schwerpunkte zu haben. Anbieten würden sich die Zollstreitigkeiten, insbesondere mit der EU, und die innenpolitischen Projekte des MAGA-Movements. Allerdings wäre das für unsere Betrachtung von geringerem Interesse, weshalb wir uns auf den anderen Punkt konzentrieren wollen.

Expansion:

Traditionell ist es die deutlichste Möglichkeit, ein Land wieder groß zu machen, indem man es physisch erweitert. Das eigene Staatsgebiet zu vergrößern, ist seit Anbeginn der Geschichte ein Zeichen für Erfolg gewesen – und dies ist auch weiterhin der Fall. Eine Gebietserweiterung der USA durch den Erwerb Grönlands wäre die erste seit dem Zweiten Weltkrieg und würde MAGA auch real greifbar machen.

Hier muss allerdings ein kleines Caveat genannt werden: Ich würde davor warnen, Donald Trump auf die leichte Schulter zu nehmen. Man mag ihn hassen, für einen Trottel halten und verabscheuen, aber er hat es immerhin geschafft, sich zweimal zum Präsidenten der USA wählen zu lassen. Sein Geschick und vor allem seinen Durchsetzungswillen zu unterschätzen, wäre sehr töricht. Sein Auftreten und Verhalten mag unangenehm sein, es kann aber durchaus auch Resultate bringen.

Möglicher Verlauf der Diplomatie

Dänemark hat zwei mögliche Vorgehensweisen, beide bringen allerdings erhebliche Probleme mit sich:

Option 1: Verhandlungen mit den USA

Man verhandelt mit den USA über die Übergabe Grönlands. Das wäre natürlich eine Abkehr vom Selbstbestimmungsrecht Grönlands und würde einen extremen Prestige- und Ansehensverlust für Kopenhagen bedeuten. Auch würde dies insgesamt die bisherige Ordnung der Staaten stören, die stark auf demokratischen Prinzipien und vor allem auf das Einhalten von Verträgen basiert.

Möglicher Vorteil:
Man kann Konzessionen heraushandeln. Wie diese an sich aussehen würden, hängt von der Verhandlung ab. Denkbar wären zum Beispiel Erleichterungen bei den Zöllen, Geldzahlungen, die Sicherstellung der Rechte der in Grönland lebenden Menschen oder eine Finanzierung ihrer Sozialleistungen.

Risiko:
Sollte man sich zu diesen Verhandlungen entscheiden, können sie auch scheitern. In diesem Fall würde man alle genannten Nachteile ernten und müsste zur zweiten Variante übergehen: der Konfrontation.

Option 2: Konfrontation

Wenn Kopenhagen die Verhandlungen verweigert, kann Washington es entweder ruhen lassen oder Grönland mit Gewalt annektieren. Anders ausgedrückt: Dänemark würde einen Bluff der USA aufdecken.

  • Wenn es ein Bluff ist: Prestigeverlust für Washington, Prestigegewinn für Kopenhagen.
  • Wenn es kein Bluff ist: Dann hätten wir einen militärischen Angriff eines NATO-Mitglieds auf ein anderes NATO-Mitglied.

Dänemark wäre natürlich nicht in der Lage, Konzessionen zu fordern, dafür würde es allerdings seinen Prinzipien und Werten treu bleiben. Dabei ist es nicht realistisch anzunehmen, dass Widerstand Erfolg haben könnte. Grönland würde sicher besetzt werden – und nein, die Ukraine ist kein realistisches Gegenargument. Diese ist ein Staat mit 41 Millionen Einwohnern und umfassenden eigenen Streitkräften. Grönland selbst hat nur 56.000 Einwohner und kein eigenes Militär; der Schutz obliegt also vollkommen Dänemark, welches selbst nur etwa 17.000 Berufssoldaten hat. Wenn die USA Grönland wirklich haben wollen, werden sie es bekommen, trotz Unterstützung von anderen Staaten, wie etwa Frankreich.

Allerdings wäre dies das unwiederbringliche Ende des westlichen Bündnisses. Die USA würden sofort von ihren (ehemaligen) Verbündeten als feindselige Nation betrachtet werden. Sanktionen sind dabei möglich, ebenso wie eine verstärkte Hinwendung von Europa zu China. Auf jeden Fall wäre es ein Ende sämtlicher Kooperationen auf globaler Ebene – und das macht die Situation so heikel.

Dänemark muss sich überlegen, ob Trump wirklich blufft – und was man selbst lieber hätte: die eigenen Werte oder den weiteren Erhalt eines (wenn auch schwächeren) Bündnisses mit den USA.

 

Fazit: 

Trumps Vorstoß wirkt auf den ersten Blick absurd – doch bei näherer Betrachtung offenbart sich eine brutale Logik. Seine Forderung nach Grönland ist, obwohl diplomatisch ungeschliffen, strategisch durchdacht: Sie nutzt die schwächsten Punkte Dänemarks (begrenzte Verteidigungskapazitäten und Abhängigkeit von der NATO) um die eigenen Forderungen durchzusetzen.

Dass er damit die gesamte transatlantische Ordnung riskiert, scheint ihn nicht zu stören – oder ist gerade der Punkt. Denn falls erfolgreich, würde der Deal sein politisches Erbe als „Präsident der Expansion“ zementieren; falls gescheitert, dient er womöglich als Ablenkung von innenpolitischen Krisen.

Brillant? In ihrer rücksichtslosen Effizienz vielleicht. Verantwortungslos? Absolut. Die wahre Meisterleistung liegt nicht im Plan selbst, sondern darin, die Welt dazu zu bringen, überhaupt über ihn zu diskutieren – und Dänemark in eine Zwickmühle zu treiben, die es so nie hätte antizipieren müssen. Trump kann viel gewinnen und, aus seiner Sicht, nichts Wichtiges verlieren.