Das Narrativ vom „Schwenk“ der Federal Reserve erhielt Auftrieb, als die Verbraucherpreisinflation in den USA überraschend nachgab und im Oktober auf die Kerninflation auf 7,7 % zurückfiel. Die Endzinserwartungen gingen zurück, und die Märkte rechnen nun nur noch mit einer Zinserhöhung der Fed um 50 Basispunkte im Dezember und stellen damit die Forderung nach einer Erhöhung um 75 Basispunkte infrage. An den Aktienmärkten kann es angesichts der Aussicht auf eine geringere Straffung durch die Fed zu einer Erholung, und die Achterbahnfahrt der Renditen setzte sich fort, wobei sich die Spreads auch bei den europäischen Zinsen verengten.

Die EU-Kommission veröffentlichte einen ersten Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Fiskalregeln, der es den Ländern ermöglichen würde, mit Brüssel eine realistischere Schuldentilgung zu vereinbaren und gleichzeitig zusätzlichen Spielraum für öffentliche Investitionen zu schaffen. Das Durchsetzen der Vorschriften würde verschärft, mit einer strengeren Regelung für Länder, die vor „erheblichen“ Herausforderungen bei der Staatsverschuldung stehen, aber eine Einigung vor Mitte 2023 scheint unwahrscheinlich.

Nach Auszählung der Stimmen bei den Zwischenwahlen in den USA werden die Republikaner voraussichtlich das Repräsentantenhaus knapp gewinnen, doch die erwartete „rote Welle“ blieb aus. Die Kontrolle über den Senat wird möglicherweise erst in einigen Wochen feststehen, da das Rennen in Georgia im Dezember in eine Stichwahl geht. Insgesamt war die Marktreaktion gedämpft, da aufgrund des politischen Stillstands kaum Änderungen in der Finanzpolitik zu erwarten sind, obwohl wir mögliche Änderungen der US-Unterstützung für die Ukraine und die anstehenden Diskussionen über die Schuldenobergrenze im Auge behalten.

Geopolitik belebt die Börse

Geopolitische Schlagzeilen über den Rückzug Russlands aus der Stadt Cherson trugen zur Volatilität bei, ebenso wie Äußerungen einer Reihe von EZB-Mitgliedern, die darauf hindeuteten, dass die Aussicht auf eine Rezession an Boden gewinnt, auch wenn im Gegensatz zur Fed noch keine Verlangsamung der Zinserhöhungen in Sicht ist. Die Erholung an den chinesischen Aktienmärkten wurde durch eine Lockerung der Quarantänebestimmungen für Reisende begünstigt, aber die Neuinfektionen stiegen vor allem in der Produktionsmetropole Guangzhou an. Die Rohstoffpreise, einschließlich Öl, stiegen aufgrund der allgemeinen Abschwächung des USD um mehr als 1 %.

An der geopolitischen Front steht eine arbeitsreiche Woche bevor, die den Hintergrund für volatile Märkte bildet. Am Dienstag findet in Indonesien das erste Treffen der G20-Staats- und Regierungschefs nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine statt. Es wurde bestätigt, dass der russische Präsident Putin nicht persönlich teilnehmen wird, obwohl er eine virtuelle Teilnahme an einem der Treffen plant, was ein ermutigendes Zeichen dafür ist, dass ein gewisses Maß an Dialog zwischen westlichen und russischen Führern fortgesetzt wird. Präsident Xi und Biden werden ebenfalls zu ihrem ersten persönlichen Treffen zusammenkommen. Die Taiwan-Frage könnte das wichtigste Thema sein, während wir auch auf Äußerungen von Xi über seine Ablehnung des Einsatzes von Atomwaffen achten sollten. In China steht eine Entscheidung über den Leitzins an, und eine Zinssenkung ist nicht auszuschließen, da eine Reihe von „harten Daten“ wahrscheinlich bestätigen wird, dass die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Pandemie weiterhin die Nachfrage dämpft.

Im Vereinigten Königreich erwarten wir am Donnerstag die Herbsterklärung des Schatzkanzlers, in der die Regierung von Premierminister Sunak ihre Haushaltspläne darlegen wird. Es wird allgemein erwartet, dass sie Steuererhöhungen auf breiter Front vorsehen wird, um das Loch von etwa 50 Mrd. GBP in den öffentlichen Finanzen des Vereinigten Königreichs zu stopfen, während die Inflationszahlen für Oktober einen weiteren großen Sprung nach oben machen könnten. In den USA werden die Einzelhandelsumsätze für Oktober Aufschluss darüber geben, wie gut sich die Verbraucherausgaben angesichts der hohen Inflation halten.

Sarah Al Hakim