Im Zuge des Krieges in der Ukraine hat es auch eine ansonsten vergessen Region Europas wieder in die Schlagzeilen geschafft. Eingebettet zwischen Rumänien im Südwesten und der Ukraine, liegt die Republik Moldau. Selbst schon ein Staat, dessen Existenz gerne übergangen wird, stimmt dies umso mehr für die abtrünnige Region Transnistrien.

In den letzten Wochen ereigneten sich in diesem Gebiet eine Reihe von Sprengstoffanschläge auf verschiedene Radiomasten und andere Einrichtungen. Daneben tauchte es auch in ukrainischen Berichten über die russischen Kriegsziele auf. Angeblich versucht Moskau eine Landverbindung mit dieser separatistischen Republik herzustellen und sie womöglich zu annektieren. Ob diese Vermutungen stimmen, kann aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden. Doch was hat es mit diesem selbst ernannten, aber von niemandem anerkannten Staat auf sich?

Geographie

Transnistrien, welche sich selbst als Pridnestrowische Moldauische Republik bezeichnet, ist ein Gebiet welches sich östlich entlang des Flusses Dnister erstreckt. Es ist größer als Luxemburg und hat etwas mehr als 370.000 Einwohner. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Rumänisch sprechenden Moldauern, Russen und Ukrainern.

Bis zum Zweiten Weltkrieg gehörte es zusammen mit Moldau als Bessarabien vollständig zu Rumänien. 1940 wurde es jedoch von der Sowjetunion besetzt und als Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik annektiert, ein Zustand, der vom Ende des Krieges bis zum Zerfall der UdSSR andauern sollte. Bis dahin wurde Transnistrien als Zentrum der Industrie und Energiegewinnung ausgebaut, ganz ähnlich wie der Donbass in der Ukraine. Und genauso war es auch einer Politik der Russifizierung unterworfen. Durch die Förderung des Russischen als Verkehrssprache und seiner Verwendung in der höheren Ausbildung, sowie durch den Zuzug ethnischer Russen aus anderen Gebieten der Sowjetunion wurde ihr Anteil an der Bevölkerung immer weiter vergrößert, während die Moldauer zu einer Minderheit wurden.

Politischer Konflikt

Eine Entwicklung, die in den späten achtziger Jahren zu bewaffneten Auseinandersetzungen führte. Im Zuge der Perestroika war im Rest Moldaus eine Welle des rumänischen Nationalismus ausgebrochen, welche immer mehr auf die Unabhängigkeit von Moskau und eine mögliche Wiedervereinigung mit Rumänien drängte. In den meisten Landesteilen wurde sie von der Mehrheitsbevölkerung bereitwillig akzeptiert und unterstützt, doch in dem damals bereits sehr gemischten Transnistrien lehnte man sie entschlossen ab.

Es bildete sich eine Gegenbewegung, die ihrerseits eine Lösung von Moldau und den Verbleib in der Sowjetunion forderte. Die Situation eskalierte bald und die Gegensätze zwischen der Randregion und dem Zentrum wurden immer größer. Vorfälle, Unruhen und Demonstrationen häuften sich und es kam zu den ersten Todesfällen. Am 2. September 1990 erklärte Transnistrien als Transnistrische Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik die Unabhängigkeit von Moldau und verfolgte zunächst das Ziel, als eigenständige Sowjetrepublik innerhalb der Sowjetunion anerkannt zu werden.

Doch diese machte dem einen Strich durch die Rechnung. Spätestens ab dem Augustputsch 1991 war der endgültige Zerfall der UdSSR abzusehen und nur noch eine Frage der Zeit. Dadurch wurde auch die Ukraine unabhängig und das von Transnistrien ersehnte Mutterland war plötzlich mehr als 650 km entfernt. Man musste umdisponieren und veränderte das eigene Programm Richtung Unabhängigkeit, zumindest für den Moment.

Anerkannt wurde man jedoch von niemandem und die Republik Moldau bereitete sich umgehend darauf vor, das abtrünnige Gebiet wieder unter Kontrolle zu bringen. Vom 1. März 1992 bis zum 25. Juli 1992 kam es zu heftigen Kämpfen zwischen den beiden Konfliktparteien. Beendet wurden sie erst durch das Eingreifen der in der Gegend stationierten russischen Truppen, die beide Seiten trennten und zu einem Waffenstillstand zwangen.

Stagnation

Seitdem hat sich recht wenig getan. Moldau beharrt weiter auf der eigenen territorialen Integrität und weigert sich Transnistrien anzuerkennen. Der gleichen Meinung folgen auch alle anderen Staaten und Institutionen der Erde. Das Land jenseits des Dnister ist damit seit fast 30 Jahren ein nicht anerkanntes Separatistengebiet. Den ehemaligen Status als wirtschaftliches Zentrum der Region hat es längst verloren. Die bestehende Administration und Regierung können das Gebiet zwar weiterhin verwalten und sich selbst an der Macht halten, eine Erneuerung der Wirtschaft oder sogar ein Heben des Lebensstandards war und sind jedoch außerhalb ihrer Reichweite.

Geopolitisch bedeuten ist sie vor allem durch die starke russische Garnison, welche es Moskau erlaubt eine militärische Präsenz an der westlichen Grenze der Ukraine und unweit der Süd-Ostgrenze der EU zu haben. Die Anzahl der russischen Soldaten wird dabei auf 1.200 bis 1.500 geschätzt; Unterstützung dürften sie durch die 4000 bis 7500 Mann der regulären tranisinistrischen Streitkräfte und weitere 10.000 bis 15.000 moskautreuen Paramilitärs erhalten.

Die Regierung ist dabei vollkommen von Russland abhängig. Tatsächlich wurde 2014 ein Beitrittsgesuch verfasst, in dem den Wunsch geäußert wurde, ein Teil der Russländischen Föderation zu werden. Vorbild war die Annexion der Krim durch Russland im selben Jahr.

Das Musterprotektorat

Man tut diesem Gebiet wohl kein Unrecht, wenn man es als ein Protektorat und Vasallen Moskaus bezeichnet. In praktisch allen Belangen stellt es eine Blaupause für ähnliche Entitäten in der russischen Einflusssphäre dar. Abchasien, Südossetien, später auch die Donbass-Republiken in Donezk und Luhansk, sind alle in einer fast identischen Situation. Ethnische und politische Konflikte führten zu militärischen Aufständen, die mit massiver russischer Hilfe zum Erfolg gebracht wurden. Das Resultat sind stagnierende, nicht anerkannte Staatsgebilde, deren Hauptzweck es ist, die ursprünglichen Mutterstaaten zu schwächen und Russland die Möglichkeit zu einer Intervention zu geben. Eine Option, die in der Ukraine angewandt wurde, wie wir alle wissen.

Es ist ein grundlegend anderes Vorgehen, als das der USA. Wenn diese ein anderes Land ins Visier nehmen, versuchen sie in der Regel durch interne Proteste einen vollständigen Regime-Change durchzuführen und auf diese Weise eine für sie angenehmere Regierung an die Macht zu bringen. Ein Vorgehen, welches ebenfalls scheitern kann, wie zum Beispiel in Syrien. Allerdings erlaubt es mit der Zeit eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen. Die Separatisten hingegen bilden offene Wunden, welche die Politik der betroffenen Staaten permanent beeinflussen.

Was nun?

Gerade für Transnistrien stellt sich dabei die Frage nach dem eigentlichen Nutzen. Als möglicher Standort für russische Truppen ist es zwar geeignet, doch wären diese an anderer Stelle vermutlich effizienter und sinnvoller. Um selbst auf russischer Seite aktiv zu werden, fehlt es der Republik an Stärke. In einem eigenständigen Kräftemessen, sowohl mit der Republik Moldau als auch mit der Ukraine, hat man wenig Aussicht auf Erfolg. Es ist in diesem Zusammenhang auch interessant anzumerken, dass sie sich für neutral erklärt hat, und bis jetzt keine eigenständigen Schritte unternommen hat sich am Krieg zu beteiligen.

Ob es dennoch eine Rolle spielen wird, muss sich erst noch zeigen. Es ist gleichermaßen Machtfaktor und Beute, mit einem Schicksal, das vielleicht schon bald entschieden wird.